Hamm – Es war das erste Mal, dass in Hamburg derart hart durchgegriffen wurde: Nachdem ein Vermieter sechs Wohnungen in Hamm über Jahre hatte leer stehen lassen, ordnete Bezirkschef Falko Droßmann (SPD) die Zwangssanierung an. Im Kampf gegen den Leerstand ein wichtiger Schritt. Und der richtige, wie das Ergebnis nun zeigt. Ein bestellter Treuhänder ließ sechs von acht Wohnungen an der Ohlendorffstraße sanieren. Demnächst ziehen die ersten neuen Mieter ein.
Das innenstadtnahe Hamm hat sich zu einem begehrten Stadtteil gemausert. Viele Studenten sind dort hingezogen, Hipster und junge Familien, die den roten Backstein und die grünen Parks schätzen. Auf den ersten Blick erscheint es umso unverständlicher, dass ein Eigentümer das Mehrfamilienhaus an der Ohlendorffstraße 15 Jahre lang leer stehen ließ. Mehrmals forderte das Bezirksamt ihn auf, sechs unvermietete Wohnungen sanieren zu lassen. Nach der Androhung der Enteignung sagte der Eigentümer zwar zu, seine Wohnungen wieder herrichten zu lassen – doch es geschah weiter nichts. Er ignorierte Anschreiben, Fristen und Bußgelder, ließ immer nur kleine Reparaturen durchführen. „Die standen in keinem Verhältnis zum eigentlich notwendigen Aufwand, es reicht nicht, wenn er mal eine Malerrechnung vorlegt“, erklärt Falko Droßmann.
Schließlich platzte dem Bezirkschef der Kragen. Er beriet sich mit dem Mieterverein zu Hamburg und dem Grundeigentümerverein, weil er „keinen gesellschaftlichen Unfrieden“ herbeiführen wollte – und verkündete dann: „Jetzt ist Schluss! Verarschen lasse ich mich nicht.“ Er entzog dem Eigentümer die Wohnungen vorübergehend und setzte am 1. März einen Treuhänder ein – eine Art vorübergehende Beschlagnahme.
Mittlerweile sind die Arbeiten an Fenstern und Sanitäranlagen abgeschlossen, außerdem erfolgt eine Sanierung der Trinkwasserleitungen im Keller. Bis August wurden 95.000 Euro investiert.
Und das sehr zur Freude vieler Wohnungssuchenden: Das Bezirksamt hatte mehr als 100 gezielte Anfragen für die sechs Wohneinheiten, von denen drei demnächst vermietet werden. Die übrigen Einheiten mit umfangreichem Sanierungsbedarf kommen voraussichtlich Ende des Jahres auf den Markt. Anschließend bekommt der Eigentümer mit den gültigen Mietverträgen das Haus zurück.
„Läuft“, sagt Droßmann mit schelmischem Grinsen, „es gibt sehr viele Fälle, bei denen wir ähnlich vorgehen, aber noch keinen Fall, bei dem wir das so durchführen mussten.“ Es gebe nun mal ein Wohnraumschutzgesetz, so Droßmann: „Wir sagen den Leuten dann: Mach es – oder wir machen es für dich.“ Das Hamburger Wohnraumschutzgesetz ist bei derartigen Maßnahmen ein wichtiges Instrument. Mit ihm können Bezirksämter lange leer stehende Wohnungen gegen den Willen der Eigentümer zwangssanieren lassen und anschließend vermieten. Obwohl in der Hansestadt laut einer kleinen Anfrage der Linken dem Mietmarkt derzeit rund 5000 Wohnungen – meist aus Spekulationsgründen – entzogen werden, wurde das Instrument bislang kaum angewendet.
Falko Droßmann hat nun einen Präzedenzfall geschaffen. „Das ist keine Enteignung“, betont er, „wir sind aber das einzige Bundesland, das das macht. Wenn es ein Gesetz gibt, aber noch keine Rechtsprechung dazu, dann habe ich als Verwaltung die Aufgabe, den Willen des Gesetzgebers umzusetzen. Das habe ich in diesem Fall getan. Ich wusste gar nicht, dass ich damit etwas Besonderes getan habe.“
Mit seinem Vorstoß hat Droßmann bundesweit Aufsehen erregt – der Hessische Landtag und das Berliner Abgeordnetenhaus haben ihn bereits als Referenten eingeladen. Auch in Hamburg kam die Zwangsmaßnahme gut an – sowohl bei Grundeigentümer- als auch bei Mietervertretern. „Wenn sich ein Eigentümer so eigenwillig anstellt, dann muss die Behörde zu solch drastischen Maßnahmen greifen“, kommentiert Thorsten Flomm. Der Geschäftsführer des Grundeigentümerverbands Hamburg betont aber: „Die Ohlendorffstraße ist ein Einzelfall.“ Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, lobt Droßmann: „Da muss erst der dienstjüngste Bezirksamtsleiter kommen, um seinen Kollegen zu zeigen, wie man es macht. Es ist erstaunlich, dass das Beispiel nicht in anderen Bezirken Schule macht.“
Quelle: Mopo Hamburg, 06.09.2017, hier.