Großevents sind beliebt und verhasst. In Hamburg folgt auf die Harley Days nun der Schlagermove. Der zuständige Bezirkschef Falko Droßmann sieht beides kritisch – ist aber in einer Zwickmühle.
Es gibt Menschen in Hamburg, die es einfach lieben: Das Knattern der Maschinen, die tätowierten Typen, die Sommerstimmung und die Lederkluft. Und es gibt Menschen, die in den Harley Days nicht mehr sehen als pure Luftverschmutzung und überflüssiges Gelärme.
Großveranstaltungen spalten seit jeher die Stadt – besonders verhärtet sind die Fronten, wenn es um den Schlagermove geht. Jene Parade, die in gut zwei Wochen (15.-16.7.) wieder Tausende Feierwütige mit bunten Perücken und ordentlich Promille in die Innenstadt lockt. Lasst uns doch den Spaß, sagen die Fans. Abschaffen, sofort, fordern die Gegner. Besonders im Bezirk Mitte sind die Anwohner genervt – Bezirkschef Falko Droßmann (42, SPD) erklärt, wie er zu den Events in seinen Stadtteilen steht.
Die Welt: Herr Droßmann, am Wochenende sind 16.000 Biker auf ihren Harleys durch die Stadt gedonnert. Finden Sie das gut oder nervig?
Falko Droßmann: Es gibt sehr viele Menschen, die die Harley Days mögen. Natürlich ist es bei allen Großveranstaltungen so, dass sie viele Fans haben und eben auch viele Gegner.
Die Welt: Sind Sie Fan oder Gegner?
Droßmann: Mir ist die ganze Veranstaltung fremd.
Die Welt: Warum?
Droßmann: Mit so vielen Menschen auf unglaublich lauten Motorrädern durch die Gegend zu fahren – das ist nicht mein Ding.
Die Welt: Das scheint vielen Hamburgern so zu gehen – wie schon in den Vorjahren wurde rund um die Veranstaltung wieder viel Unmut geäußert. Muss man den Lärm und die Luftverpestung tolerieren, nur damit ein paar Motorradfans ihren Spaß haben?
Droßmann: Die Harley-Fahrerinnen und -Fahrer sind ja bereits auf die Menschen in dieser Stadt zugegangen, indem sie zum Beispiel vom Heiligengeistfeld auf den Großmarkt umgezogen sind. Und wir haben im Vergleich zu anderen Großveranstaltungen relativ wenige Probleme mit dem Verhalten der Teilnehmer.
Die Welt: Harley Fahrer sind also laut, benehmen sich aber gut?
Droßmann: Exakt. Weder haben wir Probleme mit Vermüllung, noch mit menschlichen Ausscheidungen. Und das ist bei Großveranstaltungen leider nicht selbstverständlich. Sie müssen es ja auch mal so sehen: So eine Maschine kostete ein Heidengeld. Die Menschen, die sich eine Harley leisten können, sind üblicherweise keine 18-Jährigen. Sondern Menschen in gestandenen Lebenssituationen. Und die verhalten sich anständig. Das große Problem bei den Harley Days ist die Lautstärke.
„Können Harleyfahrern nicht verbieten, durch die Stadt zu fahren“
Die Welt: Der Hamburger Naturschutzbund Nabu hat in diesem Jahr nachgemessen. Zum Teil haben die Motorräder mehr Krach gemacht als Presslufthammer.
Droßmann: Diese Motorräder haben eine Betriebsgenehmigung, da passiert also nichts Illegales. Die Maschinen sind nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zugelassen. Dadurch haben wir überhaupt nicht die Möglichkeit zu sagen: ‚Du hast zwar ein Motorrad, aber der Nabu sagt, dass das zu laut ist und deshalb darfst du nicht damit fahren.‘ Wir können Harleyfahrern nicht verbieten, durch die Stadt zu fahren.
Die Welt: Die Harley Days bleiben also unangetastet?
Droßmann: Ja.
Die Welt: Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, dass Sie möchten, dass die Menschen in Mitte auch in den Sommermonaten normal in ihren Wohnungen leben können. Auf die Harley Days folgt Mitte Juli nun der Schlagermove.
Droßmann: Wir haben gerade den Eventlotsen eingeführt – ein Online-Tool, das allen Beteiligten helfen soll, die Großveranstaltungen in Hamburg leichter zu planen. Da können Sie als Veranstalter jede Fläche in ganz Hamburg angucken und schauen, welche Veranstaltung wo zulässig ist. Und ich ermutige alle Veranstalter, die ihren Blick immer nur auf St. Pauli und die Innenstadt richten, auch mal woanders zu gucken. Auch die anderen Bezirke in Hamburg sind schöne Bezirke.
Die Welt: Trotzdem findet der Schlagermove auch in diesem Jahr wieder an gewohnter Stelle statt: auf dem Heiligengeistfeld. Warum?
Droßmann: Seit den tragischen Geschehnissen bei der Love Parade in Duisburg gibt es bundesweit keine zentralen Genehmigungen mehr für Großveranstaltungen, stattdessen sind diverse Stellen in den Genehmigungsprozess einbezogen. Wir sind als Bezirksamt zum Beispiel nur dafür verantwortlich, die Sondernutzungsgenehmigungen für DixiKlos zu erteilen. Für die Sperrung von Straßen ist die Verkehrsbehörde, für den Emissionsschutz wieder eine andere Behörde zuständig. Das ist ein Problem. Wir haben schlicht nicht viel in der Hand.
Die Welt: Wie kann man das lösen?
Droßmann: Indem die Bundesbauministerkonferenz ein einheitliches Recht schafft, das besagt, dass Großveranstaltungen wieder von einer zentralen Stelle genehmigt werden müssen.
Die Welt: Hätten Sie als Bezirksamt gern das letzte Wort bei der Genehmigung?
Droßmann: Ja, natürlich. Aber wir würden immer auch in Absprache mit den entsprechenden Landesbehörden tätig werden. Und natürlich wissen wir auch, dass wir als Bezirk Mitte eine besondere Rolle einnehmen. Denn die schönsten Orte Hamburgs liegen nun einmal in unseren Stadtteilen. Uns ist schon klar, dass wir da nicht rein lokal überlegen können, was jetzt wen auf St.Pauli nerven könnte. Sondern auch schauen müssen, welche Veranstaltungen für Hamburg als Stadt wichtig sind.
„Der Schlagermove ist grundsätzlich eine schöne Veranstaltung“
Die Welt: Würden Sie den Schlagermove abschaffen, wenn Sie dürften?
Droßmann: Da muss ich jetzt eine diplomatische Antwort finden. Es gibt auch für den Schlagermove in Hamburg und Norddeutschland viele Fans. Aber ich finde, dass man noch mal überlegen könnte, wo in Hamburg der Schlagermove langfährt. Ob das unbedingt in der Innenstadt sein muss. Das größte Problem an der Veranstaltung ist, dass der Veranstalter nicht genug auf die Besucherinnen und Besucher einwirkt und ihnen deutlich macht, dass sie sich vernünftig zu verhalten haben. Das muss kontrolliert werden.
Die Welt: Warum benehmen sich gerade die Schlagerfans so daneben?
Droßmann: Die Besucherinnen und Besucher sind vornehmlich junge Menschen, die mit Alkohol nicht umgehen können, und sich dann entsprechend daneben benehmen. Der Schlagermove ist grundsätzlich eine schöne Veranstaltung, aber die Folgen für den Bezirk und für die Anwohnerinnen und Anwohner sind nicht akzeptabel.
Die Welt: Welche Folgen genau?
Droßmann: Die Straßen sind danach total vermüllt. Und das Schlimmste: Die Besucherinnen und Besucher nutzen die bereit gestellten Toiletten nicht, sondern erleichtern sich in der unmittelbaren Nachbarschaft. Und zwar aus allen Körperöffnungen.
Quelle: 28.06.2016, hier.