Umweltsenator Kerstan stellt Pläne für die „Landschaftsachse Horner Geest“ vor und betont, in der gesamten Stadt müssten die Grünflächen „bewahrt und weiterentwickelt“ werden
In einer wachsenden Stadt hat ein Umweltsenator selten einen leichten Stand. Wenn der Rest des Senats stets nur darüber spricht, wo und wie Neuhamburger leben können oder sollen, gerät alles Grüne schnell zum Nebenaspekt. Doch neue wie alte Hamburger wollen nicht nur wohnen, sondern auch mal das Haus verlassen. Umso wichtiger sind die Momente, in denen es mal nur ums Grün geht. Für die Lebensqualität in der ganzen Stadt – und letztlich auch für den Umweltsenator, zumal dann, wenn er von den Grünen kommt.
Jens Kerstan – der das Amt seit zwei Jahren innehat und der immer wieder in Streit mit dem Verkehrs- oder Bauressort gerät und dessen Etat als einziger jüngst nicht erhöht wurde – genoss nun einen solchen Moment. Er stellte im Stadtteilhaus Horner Freiheit vor, für welche Bürgerideen in der künftig längsten Grünanlage Hamburgs eine Million Euro ausgeben wird.
Auf einer Strecke von neun Kilometern soll sich vom Hauptbahnhof bis zum Öjendorfer See die Landschaftsachse Horner Geest erstrecken – mit Wiesen, Wanderrouten, Spielplätzen, neuen Bäumen und Schnellradwegen. Rund 100.000 Menschen in den Stadtteilen St. Georg, Borgfelde, Hamm, Horn und Billstedt könnten davon profitieren. Insgesamt stehen fünf Millionen Euro zur Verfügung, zwei Drittel davon steuert Berlin bei. Alle Abschnitte bestehen schon, sie sollen aber aufgewertet werden.
Die Zahl der von Bürgern eingereichten Ideen war beeindruckend: 233 Vorschläge kamen im Sommer zusammen. 25 davon arbeiteten die Anwohner in Werkstätten aus. Und nun wurden zwölf ausgezeichnet, deren Umsetzung insgesamt eine Million Euro kostet.
Auch wenn die Unterschiede nicht groß sind, ergibt sich doch ein Ranking: Am beliebtesten war die Geestschaukel in Borgfelde, eine 40 Meter lange Stange mit mehreren Schaukeln unterschiedlicher Breite für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren, die über hügeliges Gelände verläuft und so verschiedene Schwierigkeitsgrade bereithält. Auf dem zweiten Platz rangiert die Idee Aktiver Thörls Park für Hamm mit Sportangeboten wie etwa einem Kletterpfad. Und im südlichen Lohmühlenpark in St. Georg könnte in unmittelbarer Nähe zur Hochschule für Angewandte Wissenschaften schon bald ein „Kletteorit“ stehen, ein Kletterfelsen in Form eines Meteoriten.
Kerstans persönlicher Favorit ist auch dabei: Der „Geschmacksträger“ ist ein mobiles Küchenstudio, mit dem Anwohner für eine lange gemeinsame Tafel an verschiedenen Orten entlang der Grünachse kochen können. Weitere Ideen, die den Zuspruch von Bürgern und Jury fanden, sind etwa ein begehbarer Aussichtsholzturm in Hamm, ein Kultur- und Wochenmarkt in Horn und ein Gemeinschaftsgarten in Billstedt. In Kürze soll die Umsetzung beginnen – und bis 2019 abgeschlossen sein.
„Der längste Park“ ist nicht der einzige Superlativ bei diesem Projekt. Kerstan betonte, dass die Form der Bürgerbeteiligung bislang einzigartig sei: Erstmals hätten die Bürger zahlreiche eigene Ideen eingereicht und über diese dann gemeinsam mit einer Fachjury selber abgestimmt. 1600 Menschen beteiligten sich. Michael Koch, Jurymitglied und Professor für Stadtplanung an der HafenCity-Universität, sagte: „Es handelt sich um ein einmaliges Experiment, bei dem alle Seiten immer mehr gelernt haben. Nun ist es nur noch an den Fachleuten in der Verwaltung, die ausgezeichneten Ideen zu ermöglichen.“
Hamburgs Osten steht vor großen Veränderungen. Nicht weniger als 20.000 neue Wohnungen sollen dort gebaut werden. Entsprechend stark wächst die Einwohnerzahl. Auf Nachfrage machte Kerstan deutlich, dass der neue Grünzug deshalb nicht die einzige Maßnahme bleiben soll. Konkret wurde er nicht, sagte aber: „Im Osten, aber auch in ganz Hamburg gibt es noch viel zu tun. Das Grün in der Stadt muss grundsätzlich bewahrt und weiterentwickelt werden.“ Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang gerne treffend von „Stadtreparatur“ und eben nicht beispielsweise von „Grünflächenvergrößerung“.
Die übergreifende Perspektive des Umweltsenators ergibt Sinn, denn in Hamburg gibt es bereits ein sogenanntes Grünes Netz mit insgesamt elf Grünachsen, die von den Stadträndern Richtung Innenstadt oder Außenalster verlaufen. Einige sind vielen bekannt, etwa die Elbufer-Achse oder die Alster-Achse. Andere sind allerdings kaum als solche zu erkennen, etwa die Eimsbüttel-Achse oder eben die Horner-Geest-Achse. Da es erfahrungsgemäß nahezu unmöglich ist, außer Flächen für den Wohnungsbau auch noch Gebiete für neue Parks zu finden, gilt bei den Grünplanern die Maxime: Bestehende Freiräume erhalten und deren Qualität verbessern. Und genau das soll nun im Osten sowie nach Kerstans Ansicht auch an anderen Achsen geschehen.
Dass es mit der reinen Umgestaltung nicht getan ist, machte Falko Droßmann, Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Mitte, deutlich: „Viele der frischen Ideen brauchen auch langfristig die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.“ Das gehört ausdrücklich zu dem Konzept, das erstmals in Gänze beim Gartenschaupark in Wilhelmsburg erprobt wurde: Anwohner, die selber am Betrieb und an der Pflege von Freizeiteinrichtungen beteiligt sind, gehen mit ihrer Umgebung sensibler um. So lautet zumindest die Idee.
Quelle: Welt, 28.01.2017, hier.