Falko Droßmann
Mitglied des Deutschen Bundestages

DIE ZEIT: Corona-Krise in Hamburg – Regelmut

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Der Mann, der in Hamburg am sichtbarsten gegen Corona-Verstöße vorgeht, ist Oberstleutnant a. D. der Luftwaffe. Ein Hüne mit kantigem Gesicht, drängendem Gang und einem starken Willen zum Anpacken. Falko Droßmann leitet im Hauptberuf das Bezirksamt Hamburg-Mitte. Zum Bezirk des SPD-Politikers gehört der Stadtteil St. Pauli, und weil St. Pauli all das ausmacht, was in Corona-Zeiten gefährlich ist, hat der Bezirksamtschef derzeit besonders viel zu tun. Nicht nur in seinem Büro, sondern vor allem draußen auf den Straßen.

Jeden Freitag und Samstag sind rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirksamts gemeinsam mit Polizisten auf St. Pauli unterwegs, Falko Droßmann ist regelmäßig mit dabei. Er hat Lokale kontrolliert, bei denen Leute durch den Hintereingang rausgelaufen sind, als er mit einem Team des Gesundheitsamts den Raum betrat. Clubs, vor denen Türsteher sie aufhalten wollten. Bars, in denen mehrere Menschen an einer Shisha zogen.

Die Bezirksämter erlassen in Hamburg zwar nicht die Regeln, mit denen die Verbreitung des Virus eingedämmt werden soll, das tut der Senat. Aber Droßmann und seine Leute kümmern sich darum, dass sie eingehalten werden. Die Kontrolleure erklären die Verordnungen, sie ermahnen, sie ermahnen noch einmal und handeln dann, wenn weiter gegen die Regeln verstoßen wird. Insgesamt wurden in Hamburg seit Anfang Juli rund 1260 Verfahren wegen Verstößen gegen die Corona-Regeln eingeleitet; mehr als 360.000 Euro Bußgeld wurde verhängt. Droßmann ließ auf seinem jüngsten Kiez-Rundgang sechs Lokale schließen, am Wochenende zuvor waren es acht Betriebe. “Ich kämpfe für die Freiheit, die St. Pauli ausmacht”, sagt er. “Gegenüber Kritikern verteidige ich, dass wir die Gastronomie auf halten und Prostitution wieder erlaubt ist. Umso wichtiger ist es mir, zu kontrollieren, wo die Grenzen der Freiheit überschritten werden.”

Die Akzeptanz der Maßnahmen droht zu schwinden

Wie in anderen Städten auch sind es in Hamburg die 20- bis 40-Jährigen, die sich gerade besonders häufig anstecken. Mittlerweile sind sie die größte Gruppe der positiv Getesteten: Von den insgesamt 9152 registrierten Infizierten (Stand 13. Oktober) sind fast 2000 zwischen 20 und 29 Jahre alt, mehr als 1600 zwischen 30 und 39. Der Senat hat gerade die Bußgelder für fehlende oder falsch getragene Masken von 80 auf 150 Euro erhöht. Außerdem gilt an ausgewählten öffentlichen Orten zu bestimmten Zeiten nun auch im Freien eine Maskenpflicht. Die Regeln sind bewusst kleinteilig gehalten, zum Beispiel gilt die Maskenpflicht:

– auf den St.-Pauli-Landungsbrücken einschließlich der dort befindlichen Pontonanlage und den Brücken 1 bis 10 montags bis freitags jeweils von 6 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags jeweils von 11 bis 18 Uhr.

– in der Straße Große Freiheit im räumlichen Bereich von der Hausnummer 1 bis zur Hausnummer 47 freitags, samstags sowie an Feiertagen und tags zuvor jeweils von 18 Uhr bis 4 Uhr am Folgetag.

Die Absicht ist gut: Statt flächendeckende Verbote auszusprechen, setzt der Senat auf differenzierte Regelungen. Doch die komplizierten Einzelmaßnahmen führen nicht zu der erhofften Erleichterung. Viele Menschen sind verwirrt, die Akzeptanz der Maßnahmen droht zu schwinden. Und die Bezirksämter müssen nun noch mehr kontrollieren.

Droßmann hat in den vergangenen Monaten viele Mitarbeiterinnen umschulen lassen. Statt etwa Personalausweise auszustellen, verfolgen sie jetzt Kontakte nach oder machen Kontrollgänge auf St. Pauli. “All die neuen Aufgaben können wir nicht zusätzlich zu den Serviceangeboten erledigen, die jeder von uns erwartet”, sagt Droßmann. Zwei andere Hamburger Bezirke haben deshalb bereits die Bundeswehr um Hilfe gebeten. Für den Soldaten Droßmann ist das noch keine Option.

Quelle: Die Zeit, 16.10.2020, hier.

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