Falko Droßmann
Mitglied des Deutschen Bundestages

WELT HAMBURG: Für die SPD ist das eine Katastrophe

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Es war die größte Überraschung dieser Bezirkswahl: Nur 27 Prozent der Stimmen hat die SPD in Mitte geholt, landete mit 2,3 Prozentpunkte Rückstand erstmals hinter den Grünen. Dabei galt der Bezirk im Herzen Hamburgs seit jeher als Hochburg der Sozialdemokraten. Falko Droßmann, seit Februar 2016 Bezirksamtsleiter in Mitte, muss nun plötzlich um seinen Job bangen. Ein Gespräch über Fehler der SPD und die Frage nach der Macht in Mitte.


WELT: Herr Droßmann, wie groß war der Schock für Sie?
Falko Droßmann: Ich habe überhaupt nicht mit diesem Ergebnis gerechnet, das muss ich ehrlich sagen.

WELT: Wie erklären Sie sich den enormen Verlust für die SPD im Bezirk Mitte, der ja eigentlich als SPD-Hochburg gilt?
Droßmann: Wir hatten dem Fridays-for-Future-Lebensgefühl mit unseren Kommunalthemen am Ende relativ wenig entgegenzusetzen. Ich möchte aber auch betonen, dass wir in Billstedt 15 Prozent vor den Grünen liegen, auch in Wilhelmsburg, in Rothenburgsort, auf der Veddel und in Horn liegen wir deutlich vorn.


WELT: Im Innenstadtbereich hingegen konnten Sie oft nicht punkten.
Droßmann: Wir hatten gerade in den Akademiker-Milieus eine enorme Wahlbeteiligung. In St. Pauli, St. Georg, in der Altstadt, Neustadt und in der Hafecity. Hier lagen die Grünen teilweise bei 40 Prozent. Da konnten wir wenig gegen tun. Für uns ist das eine Katastrophe, da brauche ich nichts schönzureden. Aber in den großen Wohnstadtteilen haben wir noch überzeugende Mehrheiten. Das zeigt mir, dass es doch ankommt, was wir in Mitte in den vergangenen Jahren angestoßen haben: Dass wir uns zum Beispiel mit der Erneuerung der sozialen Infrastruktur beschäftigt haben. Ich hoffe, dass wir das jetzt auch mit Grün-Rot weitermachen.

WELT: Wieso erreicht die Hamburger SPD die Nachbarschaften der Besserverdiener derzeit nicht?
Droßmann: Ich kann das nur aus meiner Sicht sagen und will da nicht für die ganze SPD sprechen. Aber die großen sozialen Probleme, der Umgang mit schwierigen Bildungs- und Einkommensverhältnissen – das sind Herausforderungen, die vornehmlich die Menschen in Billstedt und in Wilhelmsburg betreffen. Das sind die Menschen, die wir mit unserer Politik klar ansprechen, weil wir ihre Alltagsprobleme ernst nehmen und ihnen Lösungen anbieten. In der Hafencity hingegen können es sich die Menschen leisten, globaler zu denken. Und da steht nun mal das Klimathema an erster Stelle. Jemand, der in der Hafencity wohnt, muss sich nicht fragen, wo er die nächste bezahlbare Wohnung herbekommt. Und das ist gar nicht böse gemeint, ich wohne ja selbst in der Hafencity. Aber es ist eine andere Welt.


WELT: Noch einmal: Wieso schafft es die SPD nicht, diese Menschen abzuholen?
Droßmann: Wir müssen Gesellschaftsentwürfe finden, die für alle Menschen gleichermaßen gut sind. Und da muss die SPD neue Antworten finden, die auch zum Wähler durchdringen. Denn wir haben ja den Klimapakt unterschrieben und tun viel, um den Klimawandel aufzuhalten. Wir müssen den Menschen, die eher in saturierten Gegenden wohnen, aber auch deutlich machen, dass es viele gibt, denen es nicht so gut geht wie ihnen. Und wie wichtig neben den Klimafragen auch eine Politik ist, die sich um die Belange dieser Menschen kümmert. Ich würde jetzt gern mit den Grünen zusammen daran arbeiten, dass unser sozial enorm gespaltener Bezirk weiter zusammenwächst.


WELT: Was bedeutet das Wahlergebnis für Sie persönlich? Bangen Sie jetzt um Ihren Job?
Droßmann: Nein. Ich bin Demokrat und ein Demokrat kann Demokratie nicht fürchten. Ich werde jetzt schauen, wie die Sondierungen, die die Grünen uns angeboten haben, laufen. Ich werde dabei auch schauen, ob ich das, was die Grünen möchten, als Bezirksamtsleiter weiter mitmachen kann und möchte.

WELT: Denken Sie denn akut ans Hinschmeißen?
Droßmann: Die Meldung ist sicher nicht: Droßmann geht von sich aus. Ich bin noch gute zweieinhalb Jahre im Amt. Wenn die Grünen mich nicht als Bezirksamtsleiter haben möchten, können sie natürlich versuchen, mich gemeinsam mit den Linken oder der AfD abzuwählen. Ich werde mir aber auch genau ansehen, ob wir die gute rot-grüne Politik, die wir bisher gemacht haben, in gute grün-rote Politik umwandeln können. Ich bin gespannt, was die Grünen für Forderungen haben und werde genau schauen, ob diese aus meiner Sicht auch umsetzbar sind.


WELT: Haben Sie da Sorgen?
Droßmann: Naja, ein Beispiel: Wenn die Grünen jetzt den Schlagermove verbieten wollen, muss man natürlich schon gucken, ob das innerhalb der geltenden Regeln machbar ist oder ob wir hierfür die Bürgerschaft brauchen. Am Ende muss ich sagen, dass wir als Bezirk sehr viel erreicht haben, mutig waren und inzwischen Vorbild für viele andere Städte sind. Das soll auch so bleiben, für alles andere stünde ich nicht zur Verfügung. Als ich am Mittwoch ins Büro gekommen bin, standen auf meinem Schreibtisch Blumensträuße von Mitarbeitern. Dazu hatten sie Karten geschrieben: „Herr Droßmann, bitte bleiben Sie.“ Ich habe neben den politischen Herausforderungen auch noch die Verantwortung für beinahe 1600 Mitarbeiter übernommen. Diese Verantwortung werde ich nicht einfach so aufgeben.

Quelle: Welt Hamburg, 30.05.2019, hier.

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