Über Eck gebaut, mit einem großen Garten und einem begrünten Dach – so sah das Haus aus, von dem Marianne Dotzek geträumt hatte, und so hat sie es dann nach dem Aufwachen gemalt. Das Papier, das die Leiterin der Elternschule Horner Geest präsentierte, illustriert nun den „Horner Aufschwung“. Das Projekt soll von einem von der Bundesregierung geförderten Modellvorhaben namens „Mitte machen“ profitieren, das Vertreter der Stadt am Donnerstag vorstellten. 99 Millionen Euro werden in den kommenden sechs Jahren im Osten der Stadt investiert, um die Städtebauförderung weiterzuentwickeln. Außer dem Bezirk Hamburg-Mitte wurden deutschlandweit fünf Kommunen für das Modellvorhaben ausgewählt.
Der Bund gibt die Hälfte der Mittel, 49,5 Millionen Euro, dazu. Der Hamburger Senat hat in dieser Woche beschlossen, diese Fördermittel noch einmal in gleicher Höhe kozufinanzieren. „Mit unserem Senatsbeschluss schaffen wir jetzt die nötigen finanziellen Voraussetzungen für den Start des Förderprogramms“, sagt Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). „Ob Sport, Wohnen, Mobilität oder Freizeitangebote – die zahlreichen Projekte, von denen einige bereits in den Startlöchern stehen, werden das Miteinander und den sozialen Zusammenhalt in den Stadtteilen stärken.“ Dressel rechnet damit, dass das Förderprogramm in den kommenden Jahren Maßstäbe setzen und Impulse liefern werde „für die Entwicklung unserer Stadtteile auch über die Grenzen von Hamburg-Mitte hinaus“.
Schulabbrecherquote steigt
Konkret geht es bei dem Modellvorhaben darum, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, sowohl für den klimagerechten Umbau als auch für die Infrastruktur im Bereich neue Mobilitätsformen, für Nachverdichtung und das Nebeneinander von Sport, Wohnen, Freizeit und Gewerbe. „Mit der Entwicklung innovativer Ansätze zur Quartiersentwicklung können wir einen wesentlichen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, wie die Städtebauförderung an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden kann“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). „Damit sich unsere Quartiere zu lebendigen und urbanen Orten mit stabilen Nachbarschaften entwickeln können, sollen in diesem Modellvorhaben soziale Einrichtungen, Angebote und Maßnahmen bedarfsgerecht weiterentwickelt werden.“ Einbezogen werden sollen die Stadtteile Billbrook, Billstedt, Borgfelde, Hamm, Hammerbrook, Horn und Rothenburgsort.
Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD) erklärte, es erfülle ihn mit Stolz, dass der Bundestag den Bezirk Hamburg-Mitte ausgewählt habe. „Wir befinden uns hier in einem herausfordernden Bereich“, sagte Droßmann und bezog sich mit dieser Aussage unter anderem auf eine steigende Schulabbrecherquote. Es seien zwar viele kleinere Sozialeinrichtungen vorhanden, diese seien jedoch oft nach Planungskriterien der 1960er- und 70er-Jahre entstanden. „Ein Mindestabstand zwischen Orten für Senioren und für Jugendliche ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Heute wollen wir vielmehr das Gegenteil: alle zusammenbringen“, sagte Droßmann. Man müsse sich die Frage stellen, wie das vorhandene Geld klüger ausgegeben werden könne.
Kritik an U4-Plänen
Der Kooperationsverbund „Horner Aufschwung“ um Marianne Dotzek hat ein Konzept entworfen, dass sich damit beschäftigt. „Wir wissen hier schon lange, dass wir dringend Verbesserungen brauchen“, sagte die Diplom-Pädagogin. Die Elternschule Horner Geest, deren Leiterin Dotzek ist, wurde 1991 gegründet mit dem Ziel, Familien, die sich in „chronisch verfestigten Problemlagen“ befinden, einen niedrigschwelligen Treffpunkt mit Beratung zu bieten. Das Projekt sieht eine Kooperation von Sport und Sozialem an zwei Standorten in Horn vor. „Unsere Beobachtung ist, dass sich diese beiden Bereiche unglaublich gegenseitig befruchten können“, sagte Dotzek. Die Kooperation, zu der neben der Elternschule, die Hamburger Turnerschaft HT16, das Jugendzentrum Horner Geest, das Spielhaus Speckenreye und das Bezirksamt Mitte gehören, hat daher ein Konzept erarbeitet, das eine kombinierte Einrichtung für Sport und Begegnung für alle Generationen vorsieht. Gesamtmittel in Höhe von 6,9 Millionen Euro stehen laut Falko Droßmann in den kommenden Jahren für dieses Projekt zur Verfügung. Ziel sei es ihm zufolge, die Quartiere mithilfe solcher Projekte dahingehend zu stärken, dass Hilfen zur Erziehung schlussendlich nicht mehr benötigt würden. In diesen Bereich fließt laut Droßmann derzeit ein großer Teil der zur Verfügung stehenden Mittel.
Bei der Vorstellung des Modellvorhabens mussten der Bezirksamtsleiter und die Senatoren aber auch unerwartet Rede und Antwort stehen für ein anderes, umstrittenes Großprojekt auf der Horner Geest: die geplante Verlängerung der U4. Die Linie soll für rund 450 Millionen Euro zwei weitere Stationen erhalten, so können nach Angaben der Hochbahn 13.000 Menschen an das Netz angebunden werden. An den Plänen hatte es aus dem Stadtteil viel Kritik gegeben, auch weil für die Bauarbeiten Hunderte Bäume gefällt werden müssen. Auch den Termin am Donnerstag, bei dem es eigentlich nur um das Modellvorhaben „Mitte machen“ gehen sollte, nutzten Anwohner, um ihrem Ärger über die Bauzeit von voraussichtlich sieben Jahren und die gleichzeitige Planung von zwei großen Projekten Luft zu machen. Die Vertreter der Stadt versuchten, abzuwiegeln. Droßmann erklärte, er sei „Fan“ der geplanten U-Bahn. Senatorin Stapelfeldt sagte, man könne nicht mit einem Projekt – dem „Horner Aufschwung“ – warten, bis ein anderes – der U-Bahn-Bau – abgeschlossen sei.
Quelle: Welt Hamburg, 29.08.2019, hier.